Wort
Als freie Journalistin schreibt Carolin George für verschiedene Medien in Norddeutschland, ihr Schwerpunkt liegt auf Reportagen und Porträts.
Hier geht es zu ihrer Autorenseite bei der WELT.
Carolin George ist Autorin des Buches „Glück inklusive – Unser Leben mit Behinderung“.
Die meisten journalistischen Veröffentlichungen liegen hinter Bezahlschranken. Folgende sind frei zugänglich:
Wenn das Kind nie aus dem Gröbsten raus ist
Eltern schwerbehinderter Kinder stehen vor der Wahl: Heim oder Pflege zu Hause. Ein betroffener Vater hat jetzt ein Ferienhaus gegründet, in dem alle zusammen Kraft tanken können.
Als der Sohn von Steffen Schumann auf die Welt kam, schrie der Junge laut. Es ist der einzige Ton, den der Vater je von seinem Sohn gehört hat. Seitdem ist Noah stumm. An seinen Stimmbändern streicht keine Luft vorbei, weil er einen Luftröhrenschnitt hat. Noah ist mit dem Marshall-Smith-Syndrom geboren worden. In den vergangenen 35 Jahren hat man 34 Fälle dieser Genmutation diagnostiziert. Auf der ganzen Welt.
Heute ist Noah elf Jahre alt. Er sitzt im Rollstuhl, kann kaum schlucken, sein Kopf ist verformt, sein Brustkorb ist für die Lunge zu klein. Als der Arzt ihnen eine Woche nach Noahs Geburt sagte, ihr Sohn würde niemals sprechen, niemals laufen können, traf sie das völlig unvorbereitet. Alle Tests auf mögliche Krankheiten waren negativ ausgefallen, das Bild ihrer Familie sah bis dahin so aus: Mama Krankenschwester, Papa Vermögensberater, zwei gesunde Kinder, ein Häuschen im Grünen, zwei Autos vor der Tür. Geplant wurde von Urlaub zu Urlaub. Seit 2005 geht das alles so nicht mehr. Eine Reise kann die Familie unter normalen Umständen nicht mehr machen. Nicht einmal einen Ausflug.
Die Welt, 13. November 2016
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Wie Sonja Barthel dem KZ entkam
Die Lüneburgerin Sonja Barthel wird im April 100 Jahre alt. Trotz ihrer jüdischen Herkunft hat sie den Holocaust überlebt. Sie erzählt, wie sie es mit falschen Angaben schaffte dies zu überstehen.
„Was ist Männertreu?“ Sonja Barthel schaut neugierig, als sie diese Frage stellt. Auf eine Antwort wartet sie aber nicht lange, sondern gibt sie kurzerhand selbst: „Eine nicht ausrottbare Illusion der Frauen.“ Barthel lacht, ihre blassen blauen Augen blitzen, und als auch ihre Besucherin laut auflacht, freut sie sich sichtlich. Denn diesen Witz hat sich die Lüneburgerin selbst ausgedacht. Sonja Barthel wird am 17. April 100 Jahre alt, hat mit ihrer jüdischen Abstammung den Holocaust überlebt – doch ihren Humor hat sie nicht verloren.
1938 zurück nach Deutschland
Ihr Vater kam aus Ostpreußen, ihre Mutter aus Posen, die beiden lernten sich 1913 bei einem Lehrgang für Marxismus und Sozialismus in Berlin kennen. Drei Monate später heirateten sie – er aus einer deutschnational eingestellten Familie, sie aus einer jüdischen. Beide setzten sich gegen die offenkundige Kritik der Eltern an der Verbindung durch, und ihr politisches Engagement legten sie auch ihren Kindern in die Wiege. Bei Sonja Barthel jedenfalls zieht es sich durch ihr gesamtes Leben. Noch heute stehen ganze Ordner voll mit politischen Reden bei ihr im Regal. …
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 20. März 2017
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